Auf das Statement “unserer“ Intervisionsgruppe zur Doku “Ich bin Viele“ (ZDF, 37°) erhielten wir untenstehende Antwort, die wir kommentarlos veröffentlichen:
“Liebe Frau Z.,
wir danken Ihnen herzlich für Ihre Zuschrift und Ihr Feedback zur Sendung 37 Grad „Ich bin Viele“.
In unserem Film erzählen wir die Geschichte von Sabrina, einer Frau, die mit der “Dissoziativen Identitätsstörung” lebt. Damit möchten wir auch dazu beitragen, die Diagnose in unserer Gesellschaft bekannter zu machen.
Viele Rückmeldungen unserer Zuschauerinnen und Zuschauer waren sehr positiv: “Endlich mal ein Beitrag zu diesem Thema…“ etc. Darunter auch zahlreiche Betroffene, die sich in vielen Aspekten im Film wiedergefunden haben.
Das scheint uns leider bei Ihnen nicht gelungen zu sein, was wir natürlich bedauern.
Ihre Anregungen greifen wir (Redaktion und Autorenschaft) gerne auf:
Unser Sendeformat 37° hat sich auf die Fahnen geschrieben, individuelle Geschichten zu erzählen von Menschen in ihrem jeweiligen Kontext mit ihren Lebensrealitäten, ihren Emotionen und Sehnsüchten. Es geht nicht um die Repräsentation eines Krankheitsbildes durch eine Protagonistin, sondern es wird das individuelle Leben eines Menschen mit der Diagnose „Dissoziative Identitätsstörung“ gezeigt.
Im Film arbeiten wir durch einen Experten heraus, dass Sabrina eine schwere Form der DIS hat. Dazu wird gesagt, dass sie das umfangreiche Hilfsnetzwerk in Anspruch nehmen kann, weil es mehrere schwerwiegende Diagnosen gibt. Diese haben wir bebildert mit Foto- und Videoeinblendungen, damit es textlich nicht untergeht. Wenn trotzdem der Eindruck entstanden sein sollte, dass Sabrina repräsentativ für alle Betroffenen steht, bedauern wir das.
In 28 Minuten Filmlänge kann bei einem so vielschichtigen Thema nur eine Annäherung gelingen: Einerseits die Zuschauerinnen und Zuschauern, die ggf. noch nie von der Diagnose gehört hatten oder ihr skeptisch gegenüberstehen, inhaltlich abholen, wissenschaftliche Hintergründe erläutern und zudem Sabrinas Geschichte gerecht werden.
Daneben haben wir uns für Aspekte entschieden, die in dieser Lebensetappe für Sabrina wichtig sind: Dazu gehört eine sich neu anbahnende Freundschaft und die Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz. Themen, die viele Zuschauerinnen und Zuschauer selbst kennen und an deren Erfahrungswelt wir anknüpfen. Aus Zeitgründen mussten wir dafür auf andere Szenen leider verzichten. Der gesetzte Fokus war mit Sabrina abgesprochen, die mit dem Ergebnis einverstanden und zufrieden ist
Im Film erklärt der Experte Dr. Sachsse, dass die DIS durch schwere, langanhaltende traumatische Erfahrungen in der frühen Kindheit ausgelöst wird. Sabrina berichtet davon, dass es in ihrem Fall emotionaler, körperlicher und sexueller Missbrauch war. Ihre Zeichnungen geben zudem einen Eindruck, wie tiefgreifend diese Erlebnisse für sie gewesen sein müssen. Mit seiner Erklärung wollte Prof. Dr. Sachsse keinen aktiv gesteuerten Denkprozess eines Kleinkindes in einer extremen Gewaltsituation andeuten, sondern den Prozess der Aufspaltung verdeutlichen.
Die Idee, dass sich auch durch die Vorstellungskraft eines Kindes („Das bin gar nicht ich“) und die Phantasiefähigkeit die Kerne für Persönlichkeitsentwicklungen in den abgespaltenen inneren Netzwerken bilden, findet sich auch bei anderen Expertinnen und Experten wieder.
Ziel des Beitrags ist es, das Leben von Sabrina und ihren Umgang mit der Diagnose zu zeigen. Wir haben den Blick zurück in die Vergangenheit (Instabilität, Suizidversuche) über die Akzeptanz der Diagnose bis hin zu einem Leben in Akzeptanz mit ihren Persönlichkeiten gezeichnet. Der Weg von Sabrina ist an diesem Punkt sicherlich nicht zu Ende, sondern eine Momentaufnahme in einem sehr langwierigen Prozess mit der Diagnose.
Nochmals ganz herzlichen Dank für Ihr ausführliches Feedback und Ihre Anregungen.
Wir hoffen, dass sich in Zukunft auch weitere Reportagen des Themas DIS annehmen werden und somit eine vielschichtige Annäherung an dieses komplexe Thema erreicht werden kann.
Mit freundlichen Grüßen,
XY“